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Kathrin Peters

Professorin für Theorie und Geschichte der visuellen Kultur | Fakultät Gestaltung | Universität der Künste Berlin

Ausstellung: Germaine Krull (Berlin bis 31.1.16)

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Germaine Krull: Métal, 1928

Zwei Dinge, die ich an der Ausstellung bemerkenswert fand: Gut ist, zumindest einge aufgeschlagene Bücher und Zeitungsseiten sehen zu können, denn das ist die Form in und für die Krull gearbeitet hat: Typografie, Montage und Narrativierung sind Teil des fotografischen Projekts. (Die Ausstellung bleibt leider am Vintage-Objekt hängen; warum nicht ein Video, in dem die Bücher durchgeblättert werden? Eine digitale Version?) Außerdem wird die feministische Verve Krulls irre fassbar: autofahren, rauchen, Frauen fotografieren. Ihre berühmt gewordenen Porträts späterer Berühmtheiten und die Fotografien, die zu Parismythosmotiven geronnen sind – Eiffelturm in Untersicht, Schaufensterpuppen, clochards, marché aux puces –, haben fast verdeckt, dass Krull z.B. für Vu eine wunderbare Reportage über Arbeiterinnen gemacht hat, in der es irgendwie um Hände geht (1932).

Die Ausstellung wurde von Michel Frizot für das Jeu de Paume konzipiert, ist bis 31.1.16 im Martin-Gropius-Bau zu sehen (Katalog).

Ausstellung „Fette Beute – Reichtum zeigen“, Hamburg

Jürgen Teller, Werbung für Phillips de Pury & Co, 2005
Jürgen Teller, Werbung für Phillips de Pury & Co, 2005

Im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg hat Esther Ruelfs eine Ausstellung zu Reichtum kuratiert. Oder genauer: zur Repräsentation von Reichtum. Es ist eine Fotografie-Ausstellung, aber Esther Ruelfs nimmt auch Film, Fernsehen und Blogs dazu. Das ist doppelt gut, weil es das Fotografische als verstreutes Medium versteht und außerdem zeigt, dass Reichaussehen etwas ist, das auf vielen Kanälen Betrachter/innen, Beobachter/innen, Zuschauer/innen (und Ausstellungsbesucher/innen) braucht.
Zu sehen sind z.B. frühe Fotografien von Steichen, auf denen weiß gewandete Rennbahnbesucherinnen wie Geister durch die Szenerie schweben. Diese Geister zeigen sich viel später bei Martin Parr noch einmal: Kleidung und Habitus der heutigen Reichen orientieren sich am Gestrigen, das macht die Angelegenheit so erstarrt und deprimierend. In einer schönen Serie hat Jim Goldberg in den 1970er Jahren Reiche und Arme porträtiert und ihre Porträts kommentieren lassen – schon die Handschriften sprechen Bände. In ihrer Normativität ganz irre sind auch die Jugendlichen in „Kids + Money“, die Lauren Greenfield von ihrem Repräsentationstress erzählen. Am Ende hat man doch den Eindruck, dass Luxus und Exzentrik – ja durchaus produktive Spielarten von Reichtum – nur bei den kongolesischen Sapeurs zu finden sind. Und die sind gar nicht reich. Bis 11.1.15 Fette Beute – Reichtum zeigen

Ware & Wissen – Weltkulturen Museum Frankfurt/M.

Martin Gusinde: Ohr, Anthropos Institut St. Augustin, Weltkulturen Museum
Martin Gusinde: Ohr, Anthropos Institut St. Augustin, Weltkulturen Museum

Das Weltkulturen Museum reflektiert sich selbst, d.h. Geschichte und Sammlung eines ethnologischen Museums. Das ist angebraucht und überfällig, gerade weil in Berlin das Humboldt Lab sich anschickt, ein irgendwie aktuelle Präsentation ethnologischer Artefakte zu konstruieren. Aber wie soll das gehen? Man müsste den kolonialen Kontext, die schiefen Besitzverhältnisse, die Geschichte der Reisen und ihrer Verwicklungen schon mitausstellen. „Ware & Wissen (or the stories you wouldn’t tell a stranger)“ versucht das. Dazu sind u.a KünstlerInnen eingeladen worden (Peggy Buth, David Weber-Krebs), in den Archiven zu arbeiten. Es geht viel um Fotografie, denn Fotografie ist ein ethnologisches Forschungsverfahren, besonders auch ein anthropometrisches: Körpervermessungen, Körperinspektionen en masse. Wozu? Das Versprechen von eindeutigen Rasse- und Geschlechtsbestimmmungen unterhöhlt sich selbst. Missionare haben Fotoarchive angelegt, Männer posieren auf Stühlen gestützt im Freien. Wozu? Eine Imagination und Projektion zugleich, so sieht das heute aus. Und das Museum selbst fotografiert auch, nämlich die Objekte, die es sammelt. Vor farbigen Hintergründen, mal in dramatischer, mal neutraler Beleuchtung. Objektfotografien habe ich noch nie so aufschlussreich gefunden.

fotografien_der_sammlung_1960_-_2013_mit_neuen_arbeiten_vo n_marie_angeletti_otobong_nkanga_benedikte_bjerre._foto_wolfgang_guenzel_2013
Fotografien der Sammlung, Ausstellungsraum Weltkulturen Museum, Foto: Wolfgang Günzel, 2013

(Mis)Understanding Photography – Ausstellung in Essen

(Mis)Understanding Photography ist Florian Ebners zweite große Ausstellung als Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang (nach „Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution“, siehe, ein wenig auch in eigener Sache, Gespräch in der Zeitschrift für Medienwissenschaft).
Die Ausstellung zeigt, ich würde sagen, konzeptuelle und medienreflexive Fotografie seit den 1970er Jahren. Darunter, lässig eingestreut, Arbeiten von Ed Ruscha und Richard Prince. Bildersammlungen sind ein Schwerpunkt (sehr schön: Viktoria Binschtok über Ebay-Objektfotografie), auch Reenactments und De-Informierung von Pressefotos kommen immer wieder vor. Teilweise wird es ziemlich amüsant. Außerdem eine Ausstellung in der Ausstellung: Manifeste und Programmschriften, die erstaunlich lesbar an locker gestellte Wände bzw. Sperrholzarchitekturen gekommen sind (und ja, Renzo Martens hat ein Manifest gedreht). Ein Text von Mel Bochner hat den Titel geliefert, wer mag, kann auch McLuhan raushören.
Die Manifeste werden noch veröffentlicht, die Ausstellung breitet sich bis zum 17.8. gut gehängt und so verschachtelt, wie es zum Thema passt, in der großen Ausstellungshalle aus.

Kenneth Josephson New York State Museum Folkwang, Essen
Kenneth Josephson, New York State, 1970