Das Fotobuch – alles wie gehabt?

Die Erforschung des Fotobuchs ist zwefelsohne ein wesentlicher Trend, der die Fotografieforschung der letzten Jahre auszeichnet. Angefangen mit Roths The Book of 101 Books. Seminal Photographic Books of the Twentieth Century und Parr/Badgers soeben mit dem 3. Band fortgesetzten Reihe The Photobook. A History liegt mittlerweile eine beträchtliche Zahl von Publikationen über das Fotobuch vor. Bemerkenswert ist, dass diese Bände mit einer neuen Illustrationsstrategie aufwarten. Da steht nicht mehr die Reproduktion eines einzelnen, isolierten, preziösen Prints im Mittelpunkt, sondern zumeist eine Reihe von eher kleinformatig reproduzierten Doppelseiten eben dieser fotografischen Buchpublikationen. Natürlich erscheinen immer noch viel mehr Publikationen historischer Fotografie, die das Bild um seiner selbst willen feiern, dennoch ist die Innovation markant und scheint der Beschäftigung mit Fotografie eine neue Richtung zu weisen. Diese lässt sich nicht zuletzt auch im Fachorgan Fotogeschichte beobachten, bei dem zunehmend in dieser Form illustriert wird, hier freilich häufig auch in Bezug auf die journalistische Publikation von Fotografien (zuletzt in der Nummer der Fotogeschichte zur Kriegsfotografie des I. Weltkriegs [http://www.fotogeschichte.info/index.php?id=681#c1283].

Spätestens jetzt, da durch eine beachtliche Initiative von Markus Schaden [http://www.schaden.com/] eine Crowdfunding-Initiative für ein Fotobuchmuseum gestartet wurde, die erfolgreich auszugehen scheint, wäre es doch an der Zeit sich einmal – auch kritisch – mit dieser Tendenz auseinanderzusetzen. Eine medienwissenschaftlich interessierte Herangehensweise wird natürlich immer begrüßen, wenn gerade jene intermedialen Beziehungen der Fotografie zu den Printmedien stärker gewürdigt werden, auf denen die Erfolgsgeschichte der Fotografie als moderne Bildform maßgeblich basiert. Gerade wenn der Kunstmarkt das wachsende Interesse an Fotobüchern in seiner Preisentwicklung spiegelt, ist es hilfreich, wenn man die gestaltete Buchform zumindest ausschnittsweise als Illustration nachvollziehen kann. Auch Ausstellungskataloge wie Kiosk oder der Aperture-Band things as they are leisten hier für die journalistischen Verwendungsweisen einen vergleichbaren Beitrag.

Bei mir stellt sich jedoch bei den meisten der Publikationen ein schaler Beigeschmack ein: Denn statt Kontexte und Gebrauchsweisen von Fotografien in den Vordergrund zu stellen, scheint es oft eher darum zu gehen, den für die Fotografie so zweifelhaft gewordenen Werkcharakter endlich zu restituieren. Anstelle des fotografischen Wirklichkeist-‚Fragments‘ rückt nun eine als Einheit gestaltete Reihe, die anscheinend Gechlossenheit und mühelos Werkstatus beanspruchen kann. In einer Rezension hat Timm Starl unlängst den Ball aufgenommen und – auf eben diesem Feld fotografischer ‚Autorschaft‘ – bemängelt, dass so die Fotografen und Fotografinnen verzerrt durch die Eingriffe der Bildredaktionen in den Blick genommen würden [http://timm-starl.at/fotokritik-text-93.htm]. Natürlich wird diese Frage zurecht aufgeworfen, doch macht sie zugleich klar, dass die Entdeckung des Fotobuchs die Prämisse, Fotografie müsse Kunst sein und einen Autor/eine Autorin haben, um der Forschung würdig zu sein, nicht außer Kraft gesetzt hat. In diesem Sinn haben bisher auch fast alle Bände, die sich dem Fotobuch widmen, einen Zug zur Kanonisierung des guten, qualitätvollen, als autonomes Kunstwerk konzipierten Fotobuchs (dies gilt im übrigen auch für den fotojournalistischen Kontext in things as they are), nicht zuletzt wenn sie fordern, dass die ‚Aussage‘ der Bücher primär auf Ebene der Fotografie zu erfolgen habe. Damit bleibt die Masse der Bücher – Kochbücher, Bestimmungsbücher, Sachbücher für Kinder etc. -, die trotz hohen Bildanteils auch wesentlich der Schrift verpflichtet sind, weiterhin am Rande der Beschäftigung. Als (medien)kulturelles Phänomen bleibt die Fotografie damit weiterhin unkartiert. So stellt sich mir die Frage, ob man die wissenschaftliche Konjunktur des Fotobuchs nicht nutzen sollte, um die Frage nach dem Gegenstand der Fotografieforschung grundsätzlicher zu stellen. Die Diskussion ist eröffnet!

 

 

One Comments

  • Silke Walther

    18. Januar 2015

    Sehr richtig, es ist ein Trend von den ersten Fotobüchern der Moderne nun einen bunten Bogen zum gerade rasant boomenden Photobook zu schlagen. Das hat einerseits mit ubiquitärer (Amateur?-) Produktion von Photobooks aller Art zu tun: es ist längst ein wichtiger Kulminationspunkt der visuellen Kultur en gros geworden. Das zweite Phänomen sind die Photobücher der zeitgenössischen Künstler. Schon hier ist die Fülle der Themen und Arten von „Büchern mit Photographien“ immens. Als Kunsthistorikerin habe ich mich hier zunächst nur auf eine Ordnung und Sichtung für das Gebiet „Künstlerbücher“ in der zeitgenössischen Kunst nach 1962 konzentriert, also die umfängliche Vorgeschichte der Architektur-, Landschafts. Kriegs- und Porträt-, Stillebenfotografie und der Fotogramme in 101 Seminal Photobooks bewusst nicht als Vorstufe missdeutet. Natürlich genügt dies Fotohistorikern oder Medienhistorikern des Buchs kaum. Das Bild im Buch zuerst zu sehen ist heute relativ marginal, daher sehe ich hier eine Erklärung für den gegenwärtigen Kult um das Photobuch als begehrtes Sammlerstück bzw. Nebenspur der grossen Erzählungen über Leitmedien des letzten Jahrhunderts.

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