Google-Paparazzi

Closer2Closer3

Ein interessantes Fundstück, das mir in die Hände gespielt wurde, als ich mit Studierenden meines Celebrity-Seminars die Frankfurter Paparazzi-Ausstellung besuchte: Die regelmäßig erscheinende Seite „Web-Pics der Woche“ der Celebrity-Postille In Touch. Um die Doppelseite mit Bildern zu füllen,  wird das Netz Woche für Woche nach Bildfundstücken durchkämmt, die sich für einen süffigen Kommentar eignen. Die Pointe der Angelegenheit: Die Celebrities stellen die entsprechenden Bilder selber zur Verfügung. „Die Promis haben Mitteilungsdrang und wir freuen uns darüber“, lautet das Motto der Rubrik.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde das Social Web als Ermächtigung der Stars beschrieben, die den Celebrities das Heft des Handelns zurückgebe und ihnen einen von den Massenmedien unabhängigen Kanal zum Austausch mit ihren Fans zur Verfügung stelle. Vor allem die Profession des Paparazzi, der mit Blitz und Teleobjektiv den Celebrities auflauert, sah mancher unter Druck. Wenn Ashton Kutcher, wie im Frühjahr 2010 geschehen, Bilder aus seinem Badezimmer twittert, die – angeblich – den nur spärlich bekleideten Hintern seiner damaligen Gattin Demi Moore zeigen, dann, so die Kalkulation, würden die gestohlenen Bilder der Paparazzi entwertet. Kutchers „Botschaft“ formulierte Dirk von Gehlen in der SZ: „Näher und authentischer kann niemand über mein Leben berichten als ich selbst.“ (http://www.sueddeutsche.de/digital/ashton-kutcher-und-twitter-hollywood-reporter-1.398822)

Die Celebrity-Presse dreht den Spieß nun offensichtlich um, indem sie als Institution der Bildkritik, als Beobachter zweiter Ordnung, auftritt. In süffisantem Ton werden die ‚eigentlichen‘ Botschaften der fotografischen Selbstdarstellung entschlüsselt und als Bildunterschrift hinzugefügt. Besonders verräterisch ist es etwa, wenn vor der Bildveröffentlichung Photoshop zum Einsatz kam (wie beim Bild links unten). Verräterische Einblicke in das Selbstverständnis der Celebrities gewähren nun die Brüche und Inkonsistenzen in der Selbstdarstellung, die den Celebrities selbst zugerechnet werden können. Sie am Strand oder beim Einkaufen abzupassen, ist dazu nicht mehr nötig.

Mediengeschichtlich gesehen zeigt sich hier ein weiteres Mal der Wandel, den die Digitalisierung des Fotografischen herbeigeführt hat. Konnte der klassische Paparazzi noch exklusiv mit seinen Bildern handeln, weil er das Negativ in der Hand hatte, wird das Bild nun verflüssigt. Mühelos kann es jeder User vervielfältigen und in neue Kontexte einbauen. Es geht um Bildervermehrung statt um ökonomisch motivierte Bilderverknappung. Als Zugang zu der wachsenden Bilderfülle wollen die klassischen Massenemdien aber nicht zurückstehen, sondern bieten sich als Portal zur Online-Bilderwelt an, das uns verrät, was diese Woche „die witzigsten, überraschendsten und stylishsten Fotos der Stars sind“. Die gedruckte Zeitschrift verleiht den ausgewählten Bilddateien Dauerhaftigkeit und Materialität, so dass keine keine Spuren der Digitalität und Immaterialität zurückbleiben. Nur die Bildsprache ist eine andere: Nicht mehr durch die Körnigkeit, die Flächigkeit des Teleobjektivs und abwehrenden Gesten des Paparazzobildes gezeichnet, ähneln die im Internet erbeuteten Bilder zumeist denen, die andere Nutzer der Social Media auch publizieren.

Natürlich bietet das Internet auch den Blick zurück an – und filtert seinerseits die massenmedialen Praktiken: So gibt es Filterblogs, die nicht Online-Publikationen durchleuchten, sondern zeigen möchten, wie die Welt aus der Perspektive des Zeitschriftenkiosks aussieht (http://www.topfvollgold.de/)… Doch genug von der intermedialen Parasitierung…

Werden Paparazzi durch das Internet wirklich zu einer bedrohten Spezies? Man muss sich wohl keine Sorgen machen, wenn man auf die Titelseite der Zeitschrift schaut.

Closer1

Schreibe einen Kommentar