Out now: Fabrikation eines Verbrechers

Fabrikation eines Verbrechers. Der Kriminalfall Bruno Lüdke als Mediengeschichte

Dieses Buch ist zusammen mit dem Historiker Axel Doßmann (Universität Jena) und in Kooperation mit dem Grafiker Markus Dreßen und dem Verlag Spector Books Leipzig entstanden. Es handelt sich um eine Studie, in der Dokumentarfotografien als Teil des Forschungsfeldes Visuelle Kultur explizit verhandelt werden.

1944 ließen Akteure der Kriminalpolizei und des Reichssicherheitshauptamtes den zwangssterilisierten Bruno Lüdke aus Köpenick in Wien ermorden. Nach dem Krieg nutzten Journalisten Akten und Artefakte der Kripo, wie Tatortfotos, eine Büste und einen Handabguss für „Enthüllungsgeschichten“ in illustrierten Zeitungen. Dort nannte man ihn „den größten Massenmörder in der Kriminalgeschichte“. International populär wurde der Kriminalfall durch Robert Siodmaks preisgekrönten Film „Nachts, wenn der Teufel kam“ mit Mario Adorf in der Rolle des geisteskranken Verbrechers.

Mit „Fabrikation eines Verbrecher“ liegt eine Visual History über Kriminalität, Gewalt und rassistische Menschenbilder vor. Rekonstruiert wird, unter welchen Bedingungen der Fake im Nationalsozialismus entstand und warum er sich als True Crime in der Bundesrepublik etablieren konnte.

Heutige Vorstellungen vom Bösen (und Fremden) haben eine Geschichte, über die unsere Fallstudien aufklären. Ein Mensch wurde hier ermordet und medial verwertet  – unser Buch benennt die Täter, Mittäter und Nutznießer aus Polizei, Justiz und Journalismus vor und nach 1945.

    

In dieser Mediengeschichte wird die Faszination des Bösen und des Fremden als Repräsentationen in verschiedenen Medien (z.B. Buch, Fotografie, Akte, Film, Zeitung, Illustrierte, Album, TV-Film, Büste, Internet) untersucht. Die Quellen und ihre Archive sollten visuell so präsentiert werden, dass die Thesen nachvollziehbar sind. Die Arbeit an den rassistischen Artefakten und Sammlungsbeständen zum Kriminalfall fordern ethische und ästhetische Haltungen ein, die über das konkrete Beispiel hinausweisen. Historische und ästhetische Kontexte haben wir mit eigenen Bildmontagen in den Blick gerückt: Wo war ein Artikel einst platziert? Wie ändert sich der Blick, wenn man auf eine Bildlegende bewusst verzichtet?

Fotografien zeigen und analysieren wir in den jeweiligen medialen und historischen wie gegenwärtigen Kontexten. Es werden bilddiskursive Felder herausgearbeitet und exemplarisch Bilddiskursanalysen vorgestellt. Für die Präsentation der Artefakte haben wir mit zwei Dokumentarfotografen zusammengearbeitet.

                          

Die Gestaltung will zum Studieren wie auch zum Schmökern und Entdecken einladen; historische Bildung soll auch Vergnügen bereiten und eine Chance bieten, Medien auf andere Art wahrzunehmen.

Links:
Visual History: https://www.visual-history.de/project/fabrikation-eines-verbrechers/
Hier kann man ins Buch hineinblättern, Spector Books: http://spectorbooks.com/de/fabrikation-eines-verbrechers

Axel Doßmann/Susanne Regener, Fabrikation eines Verbrechers. Der Kriminalfall Bruno Lüdke als Mediengeschichte, Spector Books, Leipzig 2018, 332 Seiten, 386 Abb., davon 87 in Farbe, EUR 38,00


Abbildungen:
Kiste mit Materialien zum Kriminalfall, 2015: Fabrikation von Beweisen: Kiste aus der Polizeihistorischen Sammlung Berlin mit diversen Materialien aus den 1940er und 1950er Jahren, die bis 1993 dazu dienten, Bruno Lüdke in der Ausstellung als Serienmörder darzustellen; Polizeihistorische Sammlung Berlin, 23 x 29 cm; Foto: Jonas Zilius, 2015
Jonas Zilius fotografiert die Büste Lüdkes aus dem Jahr 1944: Der Karlsruher Fotograf Jonas Zilius bei der Arbeit im Department für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Wien; Foto: Susanne Regener, 2014
Inszeniertes Verhör mit Lüdke, Frühjahr 1943:  Sekretärin Gertrude Steiner, Kriminalkommissar Heinrich Franz und Lüdke in der Nähe eines Tatortes, Fotografie von 1943, reproduziert in der Münchner Illustrierten vom 8. Dezember 1956; Foto: Jonas Zilius, 2015
Französisches Kinoplakat, 1958: Die SS schlägt nachts zu, die plakative Deutung von Robert Sidomaks Filmparabel im Poster von Clément Hurel für die französische Kinoauswertung von Nachts, wenn der Teufel kam. Frankreich 1958, 161 x 116 cm; Sammlung Axel Doßmann, Berlin
Setfotografie mit Mario Adorf als Lüdke, 1957: Lüdke-Darsteller Mario Adorf posiert mit einem Schattenriss-Porträt des vermeintlichen Massenmörders. Filmstill für die Bewerbung von Robert Siodmaks Spielfilm Nachts, wenn der Teufel kam (1957), Fotograf: unbekannt; Akademie der Künste Berlin, Mario-Adorf-Archiv, Adorf 487.

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