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Rezensionen

Deep Blue: „New Realities“ im Rijksmuseum

Noch bis zum 17. September befasst sich die Ausstellung ‚New Realities’ mit der fotografischen Sammlung des Amsterdamer Rijksmuseums. Das Projekt hat ein breites Medienecho erzeugt, ist die Fotografie doch erst seit Mitte der 1990er-Jahre Gegenstand des Sammelinteresses. Dies verwundert angesichts der kulturhistorischen Ausrichtung des Museums. Dennoch ist die fotografische Sammlung inzwischen längst international konkurrenzfähig.

Dass man sich darum bemüht, Akzente zu setzen, macht die Schau deutlich, in deren Zentrum Anna Atkins’ Werk ‚British Algae: Cyanotype Impressions’ von 1843/44 steht, das als weltweit erstes Fotobuch gilt und gleichzeitig die Leistung einer Foto-Pionierin vorstellt. Das Museum konnte 2017 eines dieser fotogrammatischen Herbarien erwerben und nimmt den Neuankauf zum Anlass, die verschiedenen Facetten der frühen Fotografie auszuloten. Dem Medium Fotografie versucht die Ausstellung gerecht zu werden, indem sie ihre materielle wie thematische Varietät zeigt und versucht, neue Perspektiven zu öffnen. In meinem Beitrag widme ich mich vor allem dem diffizilen Verhältnis der Fotografie zur Naturabbildung.

Der hervorragend ausgestattete und edierte Katalog stellt Atkins‘ Cyanotypien großformatig voran und nimmt damit die durchaus mutige kuratorische Entscheidung auf, einer bisher marginalisierten Position eine prominente Rolle zuzuweisen.  Keep Reading

Noch einmal zum Fotobuch – Skizze und Kritik des Forschungsfelds

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Einer der besprochenen Bände aus dem Steidl-Verlag

In den letzten Jahren ist die gedruckte Fotografie stärker in den Mittelpunkt der fotogeschichtlichen Forschung gerückt. Das ist sicherlich überfällig, denn die Ubiquität der Fotografie, ihre immense und kulturprägende Verbreitung im 20. Jahrhundert, ist weniger den fotochemisch erzeugten Abzügen zuzurechnen als den photomechanisch vervielfältigten Bildern, die auf Plakaten oder Prospekten, in Büchern oder in Zeitschriften, selbst auf Bechern oder T-Shirts erscheinen. Dass man sich der in Druckform verbreiteten Fotografie widmet, bedeutet also grundsätzlich eine Zuwendung zu den populären und massenmedialen Gebrauchsweisen des Mediums. Es sollte außer Frage stehen, dass es sich hier um ein zentrales Forschungsfeld auch der medienwissenschaftlichen Fotografieforschung handeln muss, insofern sich die Fotografie hier mit anderen Medien – der Zeitschrift, dem Buch, dem Flugblatt oder dem Plakat – verbindet, wir also mit dem Phänomen von Medien in Medien zu tun haben. Was passiert mit der Fotografie, wenn sie im Kontext des Buchs auftaucht? Was bedeutet es für die Zeitschrift, wenn sie fotomechanisch reproduzierte Fotografien aufnimmt?https://steidl.de/assets/images/-UTQ3ZS2XJH72dkY3BmJudWbt4O3q,XlLGyoa52bGPBsX++EB25hMdDdBVL8fitBkWdaBM,L3bnk=/9783869304335_1.jpg.jpg

Wie ich auf diesem Blog schon dargelegt habe, scheint es mir vor diesem Hintergrund umso irritierender, in welche Richtungen sich die aktuelle Fotobuchforschung bewegt. Um den problematischen Fokus auf die ästhetische Nobilitierung weiter zu problematisieren, habe ich im vergangenen Jahr für eine Sammelrezension der Zeitschrift MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews einige derjenigen Anthologien besprochen, die das Feld der Fotobuchforschung in den letzten Jahren definiert haben. Nun stelle ich hier eine erheblich erweiterte und in ihren theoretischen Kontextualisierungen vertiefte Version zur Verfügung, um die Debatte über das Fotobuch stärker auf dem Terrain der Medienwissenschaft zu führen. Eine Diskussion zum Thema erscheint mir wichtig, um die medienwissenschaftliche Position in der Fotografieforschung deutlich und für die zukünftige Ausrichtung des Feldes produktiv zu machen.

Traditionsreiches Heft im neuen Gewand

Rundbrief_FotoSeit Ende 1993 erscheint die Zeitschrift „Rundbrief Fotografie“, die mit ihren Beiträgen zur Materialität von Fotografien und zu ihrer Konservierung vor allem Sammlungen adressierte. Als Sondernummer kam dabei unter anderem ein sehr gelungenes Heft „Fotografie gedruckt“ heraus, in dem es um die verschiedenen Verfahren und Einsatzfelder der drucktechnischen Reproduktion von Fotografien ging. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Zeitschrift insgesamt in der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit Fotografie (sei es in der Medienwissenschaft oder in der Kunstgeschichte) bislang nur wenig zur Kenntnis genommen wurde.

Das könnte – und sollte – sich ändern, nachdem die Zeitschrift nun maßgeblich vom Bildarchiv Foto Marburg (Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte) verantwortet wird. Von den meisten wissenschaftlichen Zeitschriften zur Fotografie unterscheidet sich der „Rundbrief Fotografie“ nun schon, indem er, beginnend mit der aktuellen Nummer, grundsätzlich und durchgängig in Farbe erscheint. Dies tut dem nach wie vor zu fördernden Interesse an der Materialität von Fotografien gut, nicht nur für die Farbfotografie, sondern gerade für die verschiedenen Verfahren, die üblicherweise unter dem Label „schwarz-weiß“ abgeheftet werden. Der Farbenvielfalt dieser alten Fotografien wird hier mit den neuen Abbildungsstandards zurecht Rechnung getragen. Programmatisch zu den Zielen der AG Fotografieforschung befasst sich die Zeitschrift nicht nur mit der klassischen, materialisierten, analogen Fotografie, sondern geht auch den vielen Fragen nach, die die Konservierung digitaler Bildzeugnisse aufwirft.

Mindestens ebenso wichtig für die Fototgrafieforschung dürfte allerdings sein, dass die Brücke von den Sammlungen zur universitären Fotografieforschung geschlagen wird. Neben Beiträgen, die sich mit der fotochemischen Materialität der Bilder beschäftigen, Sammlungsbestände vorstellen und Publikationen wie Ausstellungen besprechen, findet sich eine die Rubrik „Mediengeschichten“, um diverse Aspekte der Fotografiegeschichte zu perspektivieren – aktuell handelt es sich um drei Beiträge, die sich mit Bildpostkarten, der visuellen Konstruktion nationaler Identität, schließlich mit der Stereoskopie beschäftigen. Der Neustart sollte Anlass bieten, nicht nur die eine oder andere ältere Nummer in die Hand zu nehmen (der Inhalt lässt sich hier recherchieren:  http://www.foto.unibas.ch/~rundbrief/nf00.htm), sondern die Publikation laufend zu verfolgen und als Publikationsorgan in Betracht zu ziehen.

Rundbrief_InhaltRundbrief_Mediengesch_01Rundbrief_Mediengesch