Kodak lebt! Oder auch nicht…

Die von Steven Sasson 1975 bei Kodak enwickelte Digitalkamera (Bild: http://lightfield-forum.com/2014/05/ruckblende-erfinder-steven-sasson-uber-die-erste-digitalkamera-der-welt/)

Vor gut zwei Jahren ist Kodak, das Unternehmen, das vor allem im Bereich der Knipserfotografie über hundert Jahre leitend war, Pleite gegangen – zumindest der US-amerikanische Mutterkonzern. Aus fotografiegeschichtlicher Perspektive ließ sich das als eindeutiges Symptom verstehen, dass die analoge Fotografie endgültig an ihr Ende gekommen sei. Dabei war Kodak in den 1970er Jahren Pionier bei der Entwicklung erster handhabbarer Digitalkameras. Offensichtlich hatte man seinerzeit aber noch zu viel Geld mit den gelben Filmen umgesetzt, später auch wenig haltbare Video-Cassetten in ALDI-Ramschkisten gelegt, sodass man das kommerzielle Potenzial des Digitalen nicht richtig eingeschätzt hat.

Weil Kodak ein derart gut eingeführter Markenname ist, war kaum damit zu rechnen, dass er dauerhaft vom Markt verschwinden wird. Nachdem mit dem Etikett Kodak weiterhin Druckmaschinen produziert werden, wird die Fotografiesparte neuerdings unter dem Namen Kodak Alaris geführt. Immerhin, ein paar Filme für Privatkunden werden immer noch angeboten, daneben weiterhin Filme und Fotopapier für Profis. Heute findet sich in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel, der die großen Visionen der neuen Firmenleitung offenbart. Die sprichwörtliche  Formel „You press the button, we do the rest“ Keep Reading

Gibt es analoges Leben im Digitalen?

Patrick Bailly-Mâitre-Grand, „Anneaux d’eau“ (Teil einer Serie von 5 Bildern), 1997

Rückblick auf einen Ausstellungssommer. In Straßburg im Musée d’Art Moderne et Contemporain war und ist noch (bis zum 19. Oktober 2014) Patrick Bailly-Maiître-Grand mit der Ausstellung „Colles et Chimères“ zu sehen. Keine Kunstfotografie, aber auch keine Kunst mit Fotografie, sondern eher eine fotografische Ergründung des Fotografischen als Kunst. Seit Beginn der 1980er Jahre experimentiert Bailly-Maître-Grand mit den chemischen Verfahren der Bilderzeugung und lotet deren bildgenerierende Möglichkeiten aus. Ein in der Ausstellung gezeigtes Video eröffnet einen Blick in die Dunkelkammer, der Verfahren wie die Solarisation oder Viragierung anschaulich erklärt. Angesichts der Bandbreite der Bildergebnisse ist die Selbstbeschränkung auf photochemische Verfahren hervorzuheben, die auf faszinierende Weise indexikalischen und ikonischen Realitätsbezug mit der (Eigen)Dynamik der technischen Verfahren zusammenbringen. Die Ankündigung der Ausstellung findet es denn angesichts des technisch verfremdeten Blicks nötig klarzustellen, dass der Künstler „l’empreinte du réel de l’analogique […] «l’emprunt au réel» du numérique“ vorziehe, das es sich also nicht um digitale Bilder handelt. Das zeigt an, wie sehr sich die Bedeutung dieser Form der fotokünstlerischen Praxis verändert hat, seit das digitale Bild in wenigen Jahren die analoge Fotografie – ähnlich wie die CD die LP – zu einem nostalgischen Vorhaben gemacht hat. Einen Zug ins Nostalgische zeigen schon Bailly-Maître-Grands Arbeiten aus den 1980er Jahren, die Viragierung und Daguerreotypie wiederbeleben, heute jedoch etwas angejahrt, wenn nicht gar kitschig wirken. Heute reicht schon das Festhalten an den schwarz-weißen Silbersalzen, Keep Reading

Ware & Wissen – Weltkulturen Museum Frankfurt/M.

Martin Gusinde: Ohr, Anthropos Institut St. Augustin, Weltkulturen Museum
Martin Gusinde: Ohr, Anthropos Institut St. Augustin, Weltkulturen Museum

Das Weltkulturen Museum reflektiert sich selbst, d.h. Geschichte und Sammlung eines ethnologischen Museums. Das ist angebraucht und überfällig, gerade weil in Berlin das Humboldt Lab sich anschickt, ein irgendwie aktuelle Präsentation ethnologischer Artefakte zu konstruieren. Aber wie soll das gehen? Man müsste den kolonialen Kontext, die schiefen Besitzverhältnisse, die Geschichte der Reisen und ihrer Verwicklungen schon mitausstellen. „Ware & Wissen (or the stories you wouldn’t tell a stranger)“ versucht das. Dazu sind u.a KünstlerInnen eingeladen worden (Peggy Buth, David Weber-Krebs), in den Archiven zu arbeiten. Es geht viel um Fotografie, denn Fotografie ist ein ethnologisches Forschungsverfahren, besonders auch ein anthropometrisches: Körpervermessungen, Körperinspektionen en masse. Wozu? Das Versprechen von eindeutigen Rasse- und Geschlechtsbestimmmungen unterhöhlt sich selbst. Missionare haben Fotoarchive angelegt, Männer posieren auf Stühlen gestützt im Freien. Wozu? Eine Imagination und Projektion zugleich, so sieht das heute aus. Und das Museum selbst fotografiert auch, nämlich die Objekte, die es sammelt. Vor farbigen Hintergründen, mal in dramatischer, mal neutraler Beleuchtung. Objektfotografien habe ich noch nie so aufschlussreich gefunden.

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Fotografien der Sammlung, Ausstellungsraum Weltkulturen Museum, Foto: Wolfgang Günzel, 2013

Google-Paparazzi

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Ein interessantes Fundstück, das mir in die Hände gespielt wurde, als ich mit Studierenden meines Celebrity-Seminars die Frankfurter Paparazzi-Ausstellung besuchte: Die regelmäßig erscheinende Seite „Web-Pics der Woche“ der Celebrity-Postille In Touch. Um die Doppelseite mit Bildern zu füllen,  wird das Netz Woche für Woche nach Bildfundstücken durchkämmt, die sich für einen süffigen Kommentar eignen. Die Pointe der Angelegenheit: Die Celebrities stellen die entsprechenden Bilder selber zur Verfügung. „Die Promis haben Mitteilungsdrang und wir freuen uns darüber“, lautet das Motto der Rubrik.

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Traditionsreiches Heft im neuen Gewand

Rundbrief_FotoSeit Ende 1993 erscheint die Zeitschrift „Rundbrief Fotografie“, die mit ihren Beiträgen zur Materialität von Fotografien und zu ihrer Konservierung vor allem Sammlungen adressierte. Als Sondernummer kam dabei unter anderem ein sehr gelungenes Heft „Fotografie gedruckt“ heraus, in dem es um die verschiedenen Verfahren und Einsatzfelder der drucktechnischen Reproduktion von Fotografien ging. Mein Eindruck ist allerdings, dass die Zeitschrift insgesamt in der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit Fotografie (sei es in der Medienwissenschaft oder in der Kunstgeschichte) bislang nur wenig zur Kenntnis genommen wurde.

Das könnte – und sollte – sich ändern, nachdem die Zeitschrift nun maßgeblich vom Bildarchiv Foto Marburg (Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte) verantwortet wird. Von den meisten wissenschaftlichen Zeitschriften zur Fotografie unterscheidet sich der „Rundbrief Fotografie“ nun schon, indem er, beginnend mit der aktuellen Nummer, grundsätzlich und durchgängig in Farbe erscheint. Dies tut dem nach wie vor zu fördernden Interesse an der Materialität von Fotografien gut, nicht nur für die Farbfotografie, sondern gerade für die verschiedenen Verfahren, die üblicherweise unter dem Label „schwarz-weiß“ abgeheftet werden. Der Farbenvielfalt dieser alten Fotografien wird hier mit den neuen Abbildungsstandards zurecht Rechnung getragen. Programmatisch zu den Zielen der AG Fotografieforschung befasst sich die Zeitschrift nicht nur mit der klassischen, materialisierten, analogen Fotografie, sondern geht auch den vielen Fragen nach, die die Konservierung digitaler Bildzeugnisse aufwirft.

Mindestens ebenso wichtig für die Fototgrafieforschung dürfte allerdings sein, dass die Brücke von den Sammlungen zur universitären Fotografieforschung geschlagen wird. Neben Beiträgen, die sich mit der fotochemischen Materialität der Bilder beschäftigen, Sammlungsbestände vorstellen und Publikationen wie Ausstellungen besprechen, findet sich eine die Rubrik „Mediengeschichten“, um diverse Aspekte der Fotografiegeschichte zu perspektivieren – aktuell handelt es sich um drei Beiträge, die sich mit Bildpostkarten, der visuellen Konstruktion nationaler Identität, schließlich mit der Stereoskopie beschäftigen. Der Neustart sollte Anlass bieten, nicht nur die eine oder andere ältere Nummer in die Hand zu nehmen (der Inhalt lässt sich hier recherchieren:  http://www.foto.unibas.ch/~rundbrief/nf00.htm), sondern die Publikation laufend zu verfolgen und als Publikationsorgan in Betracht zu ziehen.

Rundbrief_InhaltRundbrief_Mediengesch_01Rundbrief_Mediengesch

(Mis)Understanding Photography – Ausstellung in Essen

(Mis)Understanding Photography ist Florian Ebners zweite große Ausstellung als Leiter der Fotografischen Sammlung des Museum Folkwang (nach „Kairo. Offene Stadt. Neue Bilder einer andauernden Revolution“, siehe, ein wenig auch in eigener Sache, Gespräch in der Zeitschrift für Medienwissenschaft).
Die Ausstellung zeigt, ich würde sagen, konzeptuelle und medienreflexive Fotografie seit den 1970er Jahren. Darunter, lässig eingestreut, Arbeiten von Ed Ruscha und Richard Prince. Bildersammlungen sind ein Schwerpunkt (sehr schön: Viktoria Binschtok über Ebay-Objektfotografie), auch Reenactments und De-Informierung von Pressefotos kommen immer wieder vor. Teilweise wird es ziemlich amüsant. Außerdem eine Ausstellung in der Ausstellung: Manifeste und Programmschriften, die erstaunlich lesbar an locker gestellte Wände bzw. Sperrholzarchitekturen gekommen sind (und ja, Renzo Martens hat ein Manifest gedreht). Ein Text von Mel Bochner hat den Titel geliefert, wer mag, kann auch McLuhan raushören.
Die Manifeste werden noch veröffentlicht, die Ausstellung breitet sich bis zum 17.8. gut gehängt und so verschachtelt, wie es zum Thema passt, in der großen Ausstellungshalle aus.

Kenneth Josephson New York State Museum Folkwang, Essen
Kenneth Josephson, New York State, 1970

Das Fotobuch – alles wie gehabt?

Die Erforschung des Fotobuchs ist zwefelsohne ein wesentlicher Trend, der die Fotografieforschung der letzten Jahre auszeichnet. Angefangen mit Roths The Book of 101 Books. Seminal Photographic Books of the Twentieth Century und Parr/Badgers soeben mit dem 3. Band fortgesetzten Reihe The Photobook. A History liegt mittlerweile eine beträchtliche Zahl von Publikationen über das Fotobuch vor. Bemerkenswert ist, dass diese Bände mit einer neuen Illustrationsstrategie aufwarten. Da steht nicht mehr die Reproduktion eines einzelnen, isolierten, preziösen Prints im Mittelpunkt, sondern zumeist eine Reihe von eher kleinformatig reproduzierten Doppelseiten eben dieser fotografischen Buchpublikationen. Natürlich erscheinen immer noch viel mehr Publikationen historischer Fotografie, die das Bild um seiner selbst willen feiern, dennoch ist die Innovation markant und scheint der Beschäftigung mit Fotografie eine neue Richtung zu weisen. Diese lässt sich nicht zuletzt auch im Fachorgan Fotogeschichte beobachten, bei dem zunehmend in dieser Form illustriert wird, hier freilich häufig auch in Bezug auf die journalistische Publikation von Fotografien (zuletzt in der Nummer der Fotogeschichte zur Kriegsfotografie des I. Weltkriegs [http://www.fotogeschichte.info/index.php?id=681#c1283]. Keep Reading

Etudes photographique printemps 2014

couverture_31Soeben erschienen ist die neueste Nummer der französischen Fotozeitschrift „études photographiques“, das von mir am meisten geschätzte Periodikum für unser Fach. Neben Fragen zum Verhältnis von Fotografie und dem Nationalen sowie zum Dokumentarischen zwei Beiträge von André Gunthert und Fatima Aziz zum geteilten digitalen Bild. Besonders schön: Alle Beiträge lassen sich, aus Copyrightgründen leider um die Abbildungen reduziert, online lesen (http://etudesphotographiques.revues.org/).

 

Fotogeschichte, Heft 131, Fotografie und städtischer Wandel

Soeben erschienen ist das aktuelle Heft der „Fotogeschichte“ zum Thema „Fotografie und städtischer Wandel“, herausgegeben von Cécile Cuny, Alexa Färber und Ulrich Hägele.

Die Beiträge:

Katharina Steiner: Stadtfotografie als historische Quelle. Wilhelm Giesbrechts Neapel-Erkundungen mit der Kamera.

Isabelle Backouche: Beschleunigte Planung. Stadtsanierung im Spiegel der Fotografie, Paris 1941–1980.

Margareth Otti: Vom Schutt zum Schatz. Architekturfotografie im Dienst urbaner Umdeutung am Beispiel von Louis H. Sullivan und Richard Nickel.

Jordi Ballesta: Auf der Suche nach der Vergangenheit. Fotografien, mündliche Aussagen und Orientierungsverlust in der „Altstadt“ von Ierapetra.

Sophie Feyder: Performing black urban history. Die Ngilima-Foto-Sammlung und die Vermittlung von Erinnerung in Südafrika nach der Apartheid.

Lydie Launay, Héloïse Nez: Gentrifizierung sehen. Die Ästhetisierung von Arbeitervierteln in Paris und London. Stadtforschung mit den Mitteln der Fotografie.

Zur Zeitschrift: http://www.fotogeschichte.info/index.php

Paparazzi Fotografie

indexPaparazzifotografie ist einer der Bereiche, in denen die mit analoger Fotografie verbundene Beweiskraft immer mit kommuniziert wird. Die Körnigkeit und Materialität des Bildes ist hier nicht Manko, sondern wesentlich. Verpixelungen sucht man hier bislang noch vergebens.

Eine von Clément Chéroux für das Centre Pompidou in Metz kuratierte Ausstellung untersucht die Bildkultur der Paparazzifotografie, insbesondere auch die Bildformen, die Gesten der fotografisch Ertappten und die Geschichte der Bildformen. In einem zweiten Teil werden die kulturellen Spuren der Bildpraxis in der Kunst nachgezeichnet. Erfreulicherweise kommt diese Ausstellung auch nach Deutschland. Vom 27. Juni bis 12. Oktober 2014 wird sie in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt am Main zu sehen sein. Allerdings ist auch das Centre Pompidou in Metz eine Reise wert. Und wer nicht reisen kann, sollte sich zumindest den Katalog ansehen – die bisher fundierteste Publikation zum Thema.

Ein Nachrichtenbeitrag der Tagesschau findet sich hier:

http://www.tagesschau.de/kultur/paparazzi104.html